Seite wechseln   Zurück zur Startseite

Aerodynamische Auslegung einer Windturbine

Martin Hepperle und Richard Eppler

Dezember 1986
Institut A für Mechanik
Universität Stuttgart

Der Entwurf von Windkraftanlagen kann mit den heute zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden recht zuverlässig vorgenommen werden. Zusammen mit geeigneten, inversen Entwurfsverfahren für den Auslegungspunkt können mit Hilfe der einfacheren Blattelementmethoden und der aufwendigeren Wirbelleitermethoden (vortex lattice method, VLM) auch die Kennwerte und das Betriebsverhalten für Betriebszustände außerhalb des Entwurfspunkts ("Off-Design") bestimmt werden. Zusammen mit einem weiteren, inversen Verfahren zum Entwurf von Profilen besteht die Möglichkeit, die Profilierung der Rotorblätter mit der Blattgeometrie genau auf den vorgesehenen Einsatzbereich abzustimmen, so dass auch der Entwurf von Windenergieanlagen ohne Blattverstellung möglich ist. Eine solche Anlage muss durch geeignete aerodynamische Auslegung in der Lage sein, bei niedrigen Windgeschwindigkeiten anzulaufen und die Leistungsabgabe bei hohen Geschwindigkeiten der Anströmung in Grenzen zu halten oder zu reduzieren.

Bezeichnungen

c

örtliche Tiefe

m

ca

Auftriebsbeiwert

-

cw

Widerstandsbeiwert

-

cm

Momentenbeiwert

-

cP

Leistungsbeiwert

-

cT

Schubbeiwert

-

D

Rotordurchmesser

m

MaSp

Blattspitzenmachzahl

-

n

Drehzahl

1/s

P

Leistung

W

r

örtlicher Radius

m

R

Rotorradius

m

S

Rotorkreisfläche

m2

T

Axialkraft

N

v

Anströmgeschwindigkeit

m/s

v/nD

Fortschrittsgrad

-

x

Abszisse

m

xD

Druckpunktlage

m

y

Ordinate

m

a

Anstellwinkel

°

b

Einstellwinkel

°

r

Luftdichte

kg/m3

pS

spezifische Belastung

W/m2

 

Definition der Beiwerte

Leistungsbeiwert
Schubbeiwert
Leistungsbelastung

 

Für den Entwurf der Blattform und Profilierung der Windturbine mit horizontaler Achse und möglichst hohem Wirkungsgrad waren die folgenden Daten vorgegeben:

Blattzahl

zwei

Regelung

Stall, keine Blattverstellung

maximaler Durchmesser

D £ 17 m

Höhe der Drehachse über Grund

H = 23 m

konstante Generator-Drehzahl

nG,1 = 1000 1/min bei v1 = 6.0 m/s

bzw. durch Polumschaltung

nG,2 = 1500 1/min bei v2 = 9.0 m/s

Nennleistung

P = 75.0 kW bei v3 ³ 9.0 m/s

Tabelle 1:  Ausgangsparameter für den Entwurf.

 

Blattgeometrie

Im Hinblick auf geringe Herstellungskosten und spätere günstige Energiekosten konnte die Blattzahl auf zwei Blätter beschränkt werden. Um eine möglichst hohe Jahresleistung mit geringen Teillast- und Stillstandszeiten zu erzielen wurde eine spezifische Flächenbelastung von pS » 450 W/m2 vorgesehen. Eine geringere Belastung könnte zwar die Vollastzeiten weiter erhöhen, war aber durch die Beschränkung des Durchmessers nicht realisierbar.

Die gewählte Belastung gewährleistet auch für den in Frage kommenden Bereich von Windgeschwindigkeiten zwischen 5 m/s und 10 m/s niedrige spezifische Energiekosten.

Bereits aus der einfachen Strahltheorie ergibt sich die größte Leistungsausbeute bei möglichst großem Durchmesser; andererseits ist der Durchmesser zusammen mit dem Drehzahlniveau der Anlage für die Blattspitzenmachzahl und die Verteilung der Reynoldszahl über dem Radius entscheidend.

Durchmesser und Drehzahl wurden so abgestimmt, dass die Machzahl an den Blattspitzen maximal einen Wert von 0.3 erreicht und die Reynoldszahlen im Auslegungsbereich überall am Rotorblatt nicht unter 500'000 fallen.

 Die folgenden Daten ergaben stellten sich nach den ersten Vorentwürfen als günstigste Kombination heraus:

Durchmesser

D = 16 m

Rotor-Drehzahl

n1 = 80 1/min bei v1 = 6.0 m/s mit MaSp » 0.2

Rotor-Drehzahl

n2 = 120 1/min bei v2 = 9.0 m/s mit MaSp » 0.3

Getriebeuntersetzung

12.5

Flächenbelastung

pS £ 450 W/m2

Einsatzbereich

5 m/s £ v £ 14 m/s

max. Leistungsabgabe

Pmax = 90 kW

Tabelle 2:  Aerodynamische Parameter der Windturbine.

 

Die Geometrie wird bestimmt durch die Forderung, einen möglichst groß en Anteil der im Wind verfügbaren Energie in mechanisch (bzw. elektrische) Arbeit umzusetzen. Dies lässt sich auch mit der Forderung nach geringsten induzierten Energieverlusten verbinden.

Die Blattgeometrie sowie die Größenverhältnisse der gesamte Anlage sind in Abbildung 1 dargestellt. Die geometrischen Kennwerte des Rotors sind in Tabelle 1 enthalten, wobei die Bezeichnungen gemäß Abb. 2 gelten; wichtig ist hier besonders die Orientierung des lokalen Koordinatensystems zur Darstellung der Profilierung. Die Profile sollten so angeordnet werden, daß die Position des Druckpunkts im Auslegungsfall (in Tab. 1 als xD bezeichnet) auf einer Geraden zu liegen kommen, damit die Torsionsbelastung gering gehalten wird.

Profilierung

Für die aerodynamische Güte der Anlage sind neben Blattzahl, Blattform und Leistungsbelastung die eingesetzten Profile von entscheidender Bedeutung. Hier sind möglichst hohe Gleitzahlen der Profile maßgebend für den erzielbaren Wirkungsgrad, wobei allerdings speziell bei Windturbinen nicht vorausgesetzt werden kann, dass die Profiloberfläche über die gesamte Laufzeit der Anlage aerodynamisch glatt ist - die Profile müssen also auch bei rauher Oberfläche noch hohe Gleitzahlen aufweisen.

Im Spezialfall einer starren Blattbefestigung ohne Verstellmöglichkeit bestimmen die Polaren der eingesetzten Profile den Verlauf von Leistungsabgabe und Wirkungsgrad über der Windgeschwindigkeit. Der Arbeitsbereich ist durch das geforderte Verhalten bei der Leistungsabgabe eng begrenzt, wobei insbesondere dem Überziehverhalten eine große Bedeutung zukommt. Zur Begrenzung der maximalen Leistungsabgabe müssen die Profile so ausgelegt werden, dass nach Überschreitung des Anstellwinkels, der dem maximalen Auftriebsbeiwert entspricht, der Auftriebsbeiwert rasch abnimmt ('hartes' Überziehverhalten). Mit den bekannten, bisher zur Verfügung stehenden Profilen lassen

sich diese Anforderungen kaum erfüllen, so dass auch hier ein Neuentwurf notwendig wurde.

Die neu entwickelten Profilfamilie besteht aus fünf Profilen, welche auf diese speziellen aerodynamischen und strukturellen Anforderungen zugeschnitten wurden. Besonders wurde dabei auch auf Unempfindlichkeit gegenüber Oberflächenrauhigkeiten geachtet. Die wichtigsten Kennwerte dieser Profile sind in Tabelle 2 dargestellt.

Die aerodynamischen Eigenschaften der Profile sind in Abb. 4 bis Abb. 8 enthalten. Hier sind die theoretischen Beiwerte ca, cw, und cm sowohl für glatte als auch für rauhe Profiloberfläche bei jeweils drei Reynoldszahlen dargestellt. Außerdem kann den Abbildungen die Lage von Grenzschichtumschlag und -ablösung entnommen werden.

Die Tabellen 3 bis 7 enthalten die Profilkoordinaten in normierter und in der realen Größe, Abbildung 3 gibt einen Überblick der Proportionen des Profilstraks.

Leistungscharakteristik

In Abb. 9 ist die abgegebene Wellenleistung der Windturbine für die beiden Auslegungsdrehzahlen über der Windgeschwindigkeit dargestellt. Die Leistungsabgabe bewegt sich bei Windgeschwindigkeiten zwischen 12 und 17 m/s im zulässigen Überlastbereich von 120 % der Nennleistung.

Der relative Wirkungsgrad h* wird durch das Verhältnis von Abgabeleistung P zur im Strahlquerschnitt S enthaltenen Leistung PStr. gebildet, das zusätzlich mit dem nach der Strahltheorie maximal erzielbaren Verhältnis normiert wird

.

Der Verlauf von h* in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit ist der Abb. 10 zu entnehmen. Die Tabellen 8 und 9 enthalten sämtliche berechneten aerodynamischen Beiwerte der Windkraftanlage sowie die in Abb. 9 und 10 dargestellten Informationen. Durch die Drehzahlumschaltung entstehen zwei Kennlinien der Anlage, zwischen denen je nach Windgeschwindigkeit umgeschaltet werden soll. Der Umschaltpunkt wurde so gelegt, dass kein Sprung in der Leistungsabgabe erfolgt, was dort möglich ist, wo sich die Verläufe des Wirkungsgrads beider Kennlinien schneiden. Der bei hohen Windgeschwindigkeiten und hohen Drehzahlen erforderliche Wirkungsgradabfall kommt (wie gewünscht) in der niedrigen Drehzahlstufe nicht mehr so ausgeprägt zum Tragen.

Abb. 1:  Übersicht der Anlage MH FP 2-3.7-28 WP.

Abb. 2:  Bezeichnungen am Blattschnitt.

 

Abb. 3:  Profilstrak in Originalproportionen (ohne Verwindung).

Abb. 4:  Polare und Geschwindigkeitsverteilung Profil MH 102.

Abb. 5:  Polare und Geschwindigkeitsverteilung Profil MH 104.

 

Abb. 6:  Polare und Geschwindigkeitsverteilung Profil MH 106.

 

Abb. 7:  Polare und Geschwindigkeitsverteilung Profil MH 108.

 

Abb. 8:  Polare und Geschwindigkeitsverteilung Profil MH 110.

 

Abb. 9:  Leistungsabgabe über der Windgeschwindigkeit.

 

Abb. 10:  Wirkungsgradverlauf über der Windgeschwindigkeit.

Tabelle entfernt - Siehe WEB Seiten http://www.MH-AeroTools.de

Tab. 3:  Profilkoordinaten MH 102.

Tabelle entfernt - Siehe WEB Seiten http://www.MH-AeroTools.de

Tab. 4:  Profilkoordinaten MH 104.

Tabelle entfernt - Siehe WEB Seiten http://www.MH-AeroTools.de

Tab. 5:  Profilkoordinaten MH 106.

Tabelle entfernt - Siehe WEB Seiten http://www.MH-AeroTools.de

Tab. 6:  Profilkoordinaten MH 108.

Tabelle entfernt - Siehe WEB Seiten http://www.MH-AeroTools.de

Tab. 7:  Profilkoordinaten MH 110.

Tabelle entfernt

Tab. 8:  Leistungen bei Drehzahl n1 = 80 1/min.

Tabelle entfernt

Tab. 9:  Leistungen bei Drehzahl n2 = 120 1/min.

 

Literatur

[1] Eppler, R. and Somers, D.M.: "A Computer Program for the Design and Analysis of Low-Speed Airfoils", NASA TM-80210, 1980.

[2] Prandtl, L. und Betz, A.: "Schraubenpropeller mit geringstem Energieverlust", enthalten in: "Vier Abhandlungen zur Hydrodynamik und Aerodynamik", Göttingen, Reprint 1927.

[3] Glauert, H.: "Die Grundlagen der Tragflügel- und Luftschraubentheorie", Springer, Berlin, 1929.

[4] Glauert, H.: "Airplane Propellers", in Durand, W. F.: "Aerodynamic Theory", Vol. IV, Springer, Berlin, 1935.

[5] Eppler, R. and Hepperle, M.: "A Procedure for Propeller Design by Inverse Methods", in G.S. Dulikravich: Proceedings of the "International Conference on Inverse Design Concepts in Engineering Sciences" (ICIDES), pp. 445-460, Austin, October 17-18, 1984.


  Auf dieser Seite   zum SeitenanfangZur죫 zum Seitenanfang   Seite wechseln   Zur죫 zur Startseite